Auszüge aus Platons Timaios
KR: egô phrasô, palaion akêkoôs logon ou neou andros. …
KRITIAS: Ich will eine alte Sage berichten, die ich aus dem Munde eines eben nicht jungen Mannes vernahm; denn Kritias war damals, wie er sagte, fast an die Neunzig heran, und ich stand etwa im zehnten Jahre; es war aber gerade der Einzeichnungstag des Täuschungsfestes. Die für uns Knaben herkömmliche Festfeier fand auch diesmal statt; unsere Väter setzten uns nämlich Preise beim Vortragen von Gesängen aus. … Was war denn das für eine Sage, Kritias? fragte er. … Erzähle, bat ihn der andere, von Anbeginn an, was und wie und von wem hatte das als eine wahre Begebenheit Solon vernommen, was er erzählte.
Es ist in Ägypten, entgegnete er, im Delta, an dessen Spitze der Nil sich spaltet, ein Gau, der der Saitische heißt und dessen größte Stadt Sais ist, aus welcher auch der König Amasis stammte. Diese Stadt hat eine Schutzgöttin, in ägyptischer Sprache Neith, in hellenischer, wie jene sagen, Athene geheißen. Die Bewohner aber sagen, sie seien große Athenerfreunde und mit den hiesigen Bürgern gewissermaßen verwandt.
… Diesen Bericht, habe der Priester gesagt, will ich dir nicht mißgönnen, Solon, sondern um deiner selbst und deiner Vaterstadt willen dir ihn mitteilen, vorzüglich aber der Göttin zuliebe, welcher euer Land und dieses hier zum Lose fiel und die beide gedeihen ließ und heranbildete, das eure um tausend Jahre früher, indem sie den Samen eures Volkes vom Hephaistos und der Erde überkam, das hiesige später.
Die Zahl der Jahre aber seit der hier bestehenden Einrichtung unseres Staates ist in der geweihten Schrift auf achttausend Jahre angegeben.
Von deinen vor neuntausend Jahren lebenden Mitbürgern nun will ich dir ganz kurz die Gesetze und die schönste Heldentat, die von ihnen vollbracht ward, berichten; das Genauere über alles aber wollen wir später der Reihe nach, indem wir die Schriften selber zur Hand nehmen, erörtern.
Auf ihre Gesetze mache einen Schluß von den hier geltenden; denn viele den damals bei euch bestehenden ähnlichen wirst du jetzt hier vorfinden, zuerst den von den übrigen getrennten Stand der Priester, dann den der Werkmeister, deren jeder, von dem andern getrennt, sein eigenes Geschäft betreibt, sowie den der Hirten und Jäger und Landwirte;
auch den Stand der Krieger, dem vom Gesetze der Auftrag ward, um weiter nichts als um den Krieg sich zu kümmern, siehst du doch wohl hier von jedem anderen geschieden. Ferner ist auch die Art der Rüstung mit Schild und Speer dieselbe, deren wir unter den Bewohnern Asiens zuerst uns bedienten, indem die Göttin sie uns, wie euch in dortiger Gegend zuerst, lehrte.
Was aber die Verstandesbildung anbetrifft, siehst du wohl, welche Sorgfalt die hiesige Gesetzgebung sogleich von Anbeginn an ihr widmete in Bezug sowohl auf die Weltordnung, indem sie alles insgesamt, bis auf die Seher- und Heilkunst zur Gesundheit, aus diesen göttlichen Dingen für die menschlichen Angelegenheiten herleitete und auch in den Besitz aller andern damit verbundenen Kenntnisse sich setzte.
Insofern also die Göttin euch zuerst diese gesamte Anordnung und Ausbildung verlieh, wies sie euch auch euern Wohnsitz an und wählte die Stätte, der ihr entsprossen seid, dazu aus, weil sie in der Jahreszeiten günstigem Wechsel erkannte, daß sie die verständigsten Bewohner erzeugen werde.
Als dem Kriege und der Weisheit hold, wählte die Göttin diejenige Stätte aus, die bestimmt war, die ihr zunächst kommenden Menschen zu erzeugen, und gründete da zuerst einen Staat.
In diesem lebtet ihr also unter solchen Gesetzen und einer noch vollkommeneren Verfassung, in jeder Tugend vor allen Menschen ausgezeichnet, wie es sich von euch, als Abkömmlingen und Zöglingen der Götter, erwarten ließ.
Vgl.: http://12koerbe.de/pan/timaios1.htm
Verbiete Facebook Pixel, mich zu tracken